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Am 1. November 1898 wurde der Schnupfverein in Singen im damaligen Hotel Ekkehard auf der Scheffelstrasse 13 gegründet.
Gründer waren der Hotelier Robert Gäng und andere Geschäftsleute aus Singen. Von Robert Gäng meinte man, dass er "keinen Malter Salz esse", als er damals den "Ekkehard" käuflich erwarb. Zuvor hatte er bereits in renommierten Hotels im Schwarzwald gearbeitet und die Idee, den Schnupfverein zu gründen, übernahm er von einem bereits bestehenden Verein in Saig/Schwarzwald. Bei der Gründungsversammlung war er dann alles in einer Person, nämlich Vorstand, Kassier, Schriftführer und Vereinsdiener. Aus Saig stammten auch die Statuten, wonach nur ein einmaliger Betrag zur Mitgliedschaft auf Lebenszeit berechtigte. Der Mindestpreis für die Mitgliedschaft betrug damals 20 Pfennig.Der Unterschied zum Schnupfverein Saig war, dass die Schwarzwälder jeweils nur ein Kind zur Kommunion ausstaffierten, während es in Singen alle bedürftigen Kommunions- und Konfirmations-Kinder sein sollten.
Wer je mit Vereinssatzungen zu tun hatte, kann die damalige Weitsicht des frischgegründeten Schnupfvereins 1898 nur bewundern.Hiess es doch im letzten Paragraph: "An vorstehender Satzung darf nichts geändert, gedeutelt oder verdreht werden, vielmehr sind dieselben sofort bei Erhalt und stillschweigend anzuerkennen".
Die Vereinsdose sollte stets mit Schnupftabak gefüllt sein und die Mitglieder sollten maßvollen Gebrauch davon machen. Mitglieder, die mehr als 20 Pfennig bezahlten, sollten mit roter Tinte im Vereinsbuch vermerkt werden.
1913 wurden diese Satzung am Aschermittwoch verteilt. Ein Jahr später brach der erste Weltkrieg aus und die "Schuhspendeaktion" der Schnupfer bestand ihre Bewährungsprobe. Auch später in der Zeit der Inflation durften bedürftige Familien in Singen mit dieser Spende rechnen, ebenso in der Zeit der großen Arbeitslosigkeit.
Doch ab 1933, als alle sozialen Einrichtungen, egal welcher Richtung sie angehörten, verboten wurden, war auch dieser soziale Verein fast am Ende. Einige Jahre wurde noch im Stillen gewirkt. Mit der "Gleichschaltung" um die Jahre 1936/37 kam das "Aus" für die Schnupfer.
Aus der Laune entstanden
Dabei hatte doch 1898 alles so vielversprechend angefangen mit Hotelier Robert Gäng, dem Großvater des kürzlich verstorbenen Vorstandes Wolfram Gäng. Der Chronist Josef Kleibrink schrieb zum 30-jährigen Stiftungsfest 1928: "Es ist etwas Eigenartiges, was zur Gründung des Schnupfvereins in Singen geführt hat. Sonst setzt man bei der Gründung von Vereinen schon vorher fest, was der Zweck ist, um daraus die Arbeit eines Vereins abzuleiten.Der Schnupfverein Singen, der seit 30 Jahren so ungemein segensreich gewirkt hat, ist mehr aus einer Laune entstanden, ähnlich einem Bächlein aus der Erde gesprudelt, hat er sich zu einem großem Strome ausgewachsen und zählt heute 2.600 Mitglieder. Die Quelle dieses Stromes befindet sich im altrenommierten "Hotel Ekkehard", allwo seit Bestehen des Gasthauses immer großer Verkehr von hier und auswärts gewesen ist."
Der Besitzer Robert Gäng verstand es, in seinem reichbewegten Leben die Gäste auf das Beste zu unterhalten, und wo ein Schabernack auszuführen war, da war er auch kein Spielverderber. "Es hatten zwei Gesellen ein fein Kollegium" und diese waren zwei leidenschaftliche Schnupfer, nämlich Pelagius Graf und Meinrad Stöckle.
Pelagius Graf (1829-1917)
Jüngster Teilnehmer der März-Revolution 1848 aus Singen, der bis heute durch seinen Ausspruch "hebet mi, suscht wer i z'wild" bekannt ist.
Eines Tages kam der Vertreter für Torfbriketts von Ostrach nach Singen und bot Torf als Brennmaterial. Robert Gäng machte nun dem Pelagi weis, dass dieses Brikett die neue Art Schnupftabak sei. Der nahm ein Stück mit nach Hause, mittels eines Reibeisens fabrizierte er nun den neuen Schnupftabak. Dass er wegen dieser kraftlosen Prise ausgelacht und verulkt wurde liegt auf der Hand. Später aber wurde dieser Pelagius Graf zum Ehrenmitglied ernannt und bei seiner goldenen Hochzeit ließen sich die Schnupfer nicht lumpen. Immerhin war der Pelagi doch ein "Held von 1848".
Als Jüngster war der 19-Jährige mit der "Heckergruppe" am 16. April 1848 von der Singener Wirtschaft "Sonne" mit Sense bewaffnet losgezogen. Als die 12 Mann starke Gruppe beim "Kreuz" vorbeikam, rief ihnen die damalige Wirtin nach: "Wenn ihr denn in Karlsruhe in der Residenz sind, no bringet au die Krauw (Krone) mit".
Der Pelagi unterhielt jahrelang die Gäste mit seinen Heldentaten. Dabei war er doch hinter einem Holzstoß gehockt und als es an's Kämpfen hätte gehen sollen, rief er: "Hebet mi, suscht wer i z'wild".
Die Zeiten waren für die Bevölkerung hart und die Schnupferidee Bedürftigen zu helfen, besonders Kommunion- und Konfirmationskinder lief noch nicht in geregelten Bahnen, war aber hoch willkommen. Die Initialzündung für die Gründung des Schnupfvereins war dann diese Sache mit dem Torfbrikett. Es war der Spass und der Schabernack mit dem Pelagi, der also die Gründung des Schnupfvereins erfolgen ließ.
Die erste Schnupftabakdose wurde aus dem Torfbrikett fabriziert mit den Bildnissen von Pelagius Graf und Meinrad Stöckle. Alfred Hanloser, Drechslermeister stiftete zum ersten Jahrtag der Gründung also 1899 eine Holzdose in Form eines Kelches mit der Aufschrift "Hadwig". Von der Tabakfabrik Lotzbeck in Lahr wurden für Robert Gäng und Pelagi Graf Jubiläumsdosen übersandt.
1905 stiftete Buchsbaumplattenfabrikant Josef Burger als 1000. Mitglied eine kunstvolle Dose aus Buchsbaumholz, angefertigt vom Bildhauer Josef Nothhelfer mit Öffnung zum Geldeinwerfen, einem Behälter für Schnupftabak und einem Musikwerk, welches zwei Stücke spielen konnte. Die Sparkasse stiftete durch Vermittlung von Theodor Hanloser, nach dem in Singen eine Strasse benannt und der in den siebziger Jahren Ehrenmitglied wurde, einen stattlichen Betrag.
Auch eine Fahne wurde alsbald beschafft.
Von links nach rechts: Hermann Weller (war damals der Poppele und auch das Eierwieb), Christoph Wassenberg (1. Vorsitzender) und Oskar Reitze (Kassier)
Leonhard Fleischmann gab die Leinwand für die Fahne, die von Malermeister Humpert, der übrigens alle Schnupferdosen bemalte, mit einer Inschrift versehen wurde. Die Fahnenstange stiftete Drechsler Alfred Hanloser. das Medaillon aus Zinnfolie auf der Fahne wurde aus gesammelten Folien der Tabakpäckchen sehr originell von Schreinermeister Josef Walter hergestellt. Die Fahnenweihe fand im Sommer 1899 unter Mitwirkung der Rielasinger Musik statt. Reallehrer Stumpf hielt die "Brandrede"
Im Jahre 1900 hat der Schnupfverein dem Männergesangverein 1859 eine Fahnenspende übergeben. Den gleichen Betrag nämlich 8 Mark, erhielt auch der Stadtturnverein. Für das neue Kriegerdenkmal zum Andenken an die gefallenen Soldaten im Krieg 1870/71 wurden im März 1905 10 Mark übergeben.
Stadterhebung ohne Schnupfer
Zum 8. Oktober 1899, dem Tage als Singen zur Stadt erhoben wurde, waren die Schnupfer nicht eingeladen, was einen kleinen Aufruhr hervorrief. Doch stellten sich die Mitglieder mit ihrer neuen Fahne auf dem Hohentwiel dicht neben dem Gemeinderat auf. Schließlich zählten neben vielen Mittelständlern, Kaufleuten und einem Querschnitt der Singener Bürgerschaft auch Gemeinderäte und verschiedentlich Oberbürgermeister zum Schnupfverein.
Auch der Titel eines Schnupferrates, erstmals 1902 Gustav Müller "Zigarrenmüller" verliehen, wird wieder eingeführt. Das Amt des Fähnrichs, erstmals für seine Verdienste an Malermeister Humpert 1902 submissioniert (vergeben), hatte 1933/34 Kaufmann Walter Reichart inne. Er wurde später in den siebziger Jahren "Ritter vom Hohentwiel" ernannt. Diese Ehrung hatte der Berliner Bahnbeamte Wilhelm Wolf, der mit seiner Bahnfreikarte alljährlich aus der Hauptstadt mit seinen selbstgestrickten Socken anreiste, im Jahre 1923 erhalten. Im Protokollbuch verewigte er sich: "Es lebe in Singen der Schnupfverein, bis ich kehre wieder im "Ekkehard" ein." Die Ehrung "Ritter vom Hohentwiel" wird von den Mitgliedern für besondere Verdienste lebenslang verliehen. Nach dem Tod von Ritter Walter wurde der Titel "Ritter vom Hohentwiel" Dr. Rolf-Dieter Müllenberg angetragen.
Nachdem in den 30iger Jahren des 20igtsen Jahrtausends der Schnupfverein schließen musste, wurden seine sozialen Aktivitäten stark eingeschränkt, einige Mitglieder trafen sich weiterhin inoffiziell. Dieses Kapitel der Schnupfergeschichte ruhte lange im Dunkel. Jetzt ist mir ein Buch in die Hände gefallen, die diese Geschichte etwas erhellt, "Erinnern, Bedenken, Lernen" von Alfred G. Frei und Jens Runge (Hg.) Hier wird über die Brüder Sally und Siegfried Guttmann berichtet, die jüdischen Glaubens waren.
Zitat aus dem erwähnten Buch:
"Am 2. März 1908 meldete die Firma S, Guttmann & Comp. ihr Geschäft in der Scheffelstraße 26 an.
Schon Weihnachten 1908 sprach Sally Guttmann in seiner Werbung stolz von >>Singens größtem Konfektionshaus<<. 1909 siedelte auch Siegfried Guttmann nach Singen über. Er eröffnete am 31. Januar 1911 in der Scheffelstraße 25 den >>Modebazar Guttmann<<. 12 Jahre machten sich die beiden Brüder freundschaftlich Konkurrenz und überboten sich in ihren Werbeannoncen. Beide waren als reelle Geschäftsleute bekannt und hatten mit ihren Familien innerhalb der Bevölkerung ihren festen Platz. Sie waren Mitglieder des wohltätigen Schnupfvereins sowie des Männergesangvereins 1859 e.V., engagierten sich im Fußballclub Singen und unterstützten als passive Mitglieder die Freiwillige Feuerwehr.... (Ende des Zitats).
Welches traurige Ende die Familien Guttmann erleiden musste, ist im erwähnten Buch nachzulesen. Der Verein hatte einige jüdische Mitbürger in seinen Reihen, was schließlich auch zur Schließung des Vereins beitrug.
Wiedergründung 1966
Seither hat sich viel verändert: Im "Hotel Ekkehard" wird heute Parfum verkauft und im "Pfälzerhof" arbeitete bis zum Abbruch noch die Post. Aber bei der Wiedergründung des Schnupfvereins 1966 wurde erneut ein Mann namens Wolfram Gäng Vorstand.
Seine Frau, die "Usch", hatte im August das zweite Kind, eine Tochter "Andrea", geboren. Die Scheffelsträßler feierten, denn ein Sohn war schon da und die Freude über das Mädchen war riesig. Ebenfalls bei der Wiedergründung dabei war auch der alte Bäckermeister Franz Maurer, der früher noch eine Mehlhandlung und dann eine Badeanstalt neben dem "Cafe Maurer" (Ecke Hegau-/Schefelstr. heute Hohentwiel Apotheke) betrieb. Der Franz wurde sogleich zum Präsidenten erkoren.
Jürgen Geiseler wurde 2. Vorstand. Die Kasse kam in die Hände von Wirtin Gertrud Hirling und von Maria Kohler. Schriftführerin wurde 1966 Helga Bertelmann bis sie 1967 in die Schweiz ging. Hilde Schäufele geb. Gropper vom früheren Schuhhaus Gropper in der Scheffelstraße übernahm bis 1982 das Amt. Dann folgte bis heute wieder die Helga. Hannelore Czernanski und Ida Endras, die später an ihrem 80. Geburtstag Ehrenmitglied wurde, waren Beisitzerinnen.Der Zuspruch nach der Wiedergründung des originellen Vereins war groß.
Stadtrat Wilhelm Isak war 100. Mitglied. Walter Fahr vom Hohentwiel, der für einen Umzug seinen Esel zur Verfügung stellte, war das 500. Mitglied. Die Nummer 600 ging an Ekkehard Janz. Der "Fuetig", Alfred Ehinger erhielt die Nummer 700, ein Scheffelsträßler, nämlich Metzgermeister Alfred Hertrich, die Nummer 800. Ein weiterer Scheffelsträßler, Um die Nummer 1000 bewarben sich Leopold Endres, Dieter Britz und Bürgermeister Ruf. Letzterer erhielt im "Hotel Widerhold" den Zuschlag. Dorthin waren die Schnupfer nach Schließung des "Pfälzerhofes" 1970 mit Ross, Wagen und der "Schnupferlade" umgezogen. Dr. Walter Steger ist übrigens Mitgied Nummer 1500.
1975 schloss auch das "Frühschoppenlokal" Cafe Maurer, wo es Torten und Gemälde gab. Bei Familie Geyer im "Adlerblick" und dann im "Cafe Schrempp" trafen sich dann die Schnupfer, bevor Einzug in Singens zweitälteste Wirtschaft "Kreuz" zu Familie Stegmüller gehalten wurde. Der Frühschoppen wurde zum Dämmerschoppen umgewidmet.
Halbjährlich wurde nun gewechselt vom "Kreuzstüble" zum "Petershof". Auch die anderen Wirtschaften werden besucht, in denen ein "Schnupferbär" steht, dessen Modell übrigens Anfang der 30.er Jahre vom Juwelier Darpe von der Scheffelstraße wegen der Ähnlichkeit des Singener mit dem Berliner Bären aus Berlin mitgebracht wurde. Die Bärenleerung wird von Kassierin Doris Iwan sowie dem 2. Vorstand Walter Benz vorgenommen. Der Erlös dient der Finanzierung der alljährlichen Weihnachtspakete, der Ausfahrten von Senioren, der Schuhe für Kommunikaten und Konfirmanten, sowie Spenden an die Böhm Stiftung, an die Welthungerhilfe, für das Pirminwerk, das Kinderheim St Peter und Paul, für die Behinderten und für Erdbebenopfer.
Spaßige Wettbewerbe - immer für einen guten Zweck
Auch eine Fahne beschafften sich die Schnupfer wieder mit dem Austragen von Wetten. Der 1972 erfolgte "Kanapéetransport, das Käse-Wettessen, Bierkrugstemmen, Polterabende in der Scheffelstraße brachten stattliche Beträge. Die Fahnenstange musste die Stadt Singen bezahlen. Das Fahnentuch wurde von Elvira Abt, Tochter von Hedwig Trübi, gestiftet, die auch die Stickereien anfertigte.
Alljährlich fand im "Hotel Widerhold" das "Inthronisations-Bier-Trinken" statt. 1934 hatte Josef Litz das Hotel erworben und 1970 wählte der Schnupfverein diese Lokalität als Vereinswirschaft. Josef der damalige zweite Vorstand hatte zugesichert, diese Zeremonie zu sponsern. Als 1971 das Hotel an Sohn Günter Litz überging, wurde dieses Brauchtum übernommen. eine gewisse Zeit wurde es von Rosi Litz weitergeführt. 2010 wurde das Hotel verkauft und der Schnupfverein wählte die altrenommierten "Singener Weinstube" zum neuen Vereinslokal. Hier haben der Wirt und die Wirtin Leiber in neuster Zeit immer wieder für den besten Bären gesorgt.
Geholfen, dass in Singen der Schnupfverein auf einer Tradition aufbauen konnte, hat auch der unvergessene Willi Weber, der sich mit Lichtbildern von Alt-Singen und dem Suchen nach den verschollenen "Bären", die nach der Auflösung des Vereins (im " III. Reich") an verschiedenen Orten aufbewahrt wurden, sehr verdient gemacht hat. Letztendlich wurde der erste Bär wiedergefunden von Johann Bertelmann dem Vater unsere heutigen Schriftführerin Helga Bertelmann.